Entgeltfortzahlungsanspruch bei alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit

1. Beim Verschulden iSv § 3 I 1 EFZG handelt es sich um ein Verschulden gegen sich selbst. Schuldhaft idS handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dabei ist von einem objektiven Maßstab auszugehen.

2. Nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse kann wegen der multifaktoriellen Genese nicht davon ausgegangen werden, dass das Entstehen einer Alkoholabhängigkeit verschuldet iSv § 3 I 1 EFZG ist.

3. Auch bei einem Rückfall nach einer erfolgreich durchgeführten Therapie wird es regelmäßig an einem solchen Verschulden fehlen. Es gibt allerdings keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass ein Rückfall nicht auch schuldhaft iSv § 3 I 1 EFZG durch den Arbeitnehmer herbeigeführt worden sein kann.

4. Die Klärung der Frage des Verschuldens in einem solchen Fall wird regelmäßig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder Vernehmung eines sachverständigen Zeugen erfolgen können. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich einer solchen Begutachtung zur Frage seines möglichen Verschuldens an dem Rückfall zu unterziehen und eine entsprechende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorzunehmen. (Orientierungssätze des Gerichts)

Urteil Bundesarbeitsgericht 18.03.2015 zum Aktenzeichen 10 AZR 99/14
Vorschriften:
EFZG §§ 3 I 1, 8
SGB X § 115 I
BGB §§ 276, 277, 616 S. 1, 617 I 1
SGB V § 49 I Nr. 1
HGB § 63 I 1
Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 370234