Für Zeiten der Bereitschaft ist Mindestlohn zu zahlen

Vollarbeit und Bereitschaft
Der Arbeitgeber hat den gesetzlichen Mindestlohn, sofern keine höhere Vergütung vereinbart ist, für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde zu zahlen. Dies gilt für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Zur vergütungspflichtigen Arbeit zählt neben der Vollarbeit auch Bereitschaft. In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 11.10.2017 zum Aktenzeichen 5 AZR 591/16 entschieden.

Vergütung von Bereitschaftszeiten
Vorliegend stritten die Parteien über eine zusätzliche Vergütung von Bereitschaftszeiten mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Der Kläger ist beim Beklagten als Rettungsassistent beschäftigt.

Arbeitsbereitschaft
Der Kläger leistete im streitigen Zeitraum insgesamt 318,2 Stunden Arbeitsbereitschaft. Der 5. Senat des BAG bestätigte, dass der Beklagte verpflichtet sei, auch für Zeiten der Bereitschaft den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Zur vergütungspflichtigen Arbeit gehört nicht nur die Vollarbeit, sondern auch Bereitschaftszeit. Gemäß früherer Entscheidung des BAG (BAGE 150,82) könne der Arbeitnehmer während des Bereitschaftsdienstes nicht frei über die Nutzung dieses Zeitraums bestimmen. Er müsse vielmehr sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen.

Gesetz differenziert nicht nach Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme
Die gesetzliche Vergütungspflicht des Mindestlohngesetzes differenziere nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme. Wenn der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit leistet, sei ein ungeschmälerter Anspruch auf den Mindestlohn vorgesehen. Im Ergebnis hat der Kläger vorliegend keine höhere Vergütung erhalten, da die bereits gezahlte Bruttovergütung über dem Mindestlohn lag und nach dem für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag mit dem Tabellenentgelt die regelmäßige Arbeitszeit abgegolten ist. Der Arbeitnehmer hätte nur eine zusätzliche Vergütung erhalten, wenn die bereits gezahlte Gesamtvergütung geteilt durch die geleisteten Arbeitsstunden einschließlich Bereitschaftszeit nicht den Mindestlohn erreicht hätte.

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Ausweitung des Pflegemindestlohns auf Betreuungskräfte

Ab dem 01.10.2015 wurde der Pflegemindestlohn auf weitere Beschäftigtengruppen ausgedehnt. Künftig haben nach der Verordnung des Bundesarbeitsministeriums Beschäftigte, die in nicht unerheblichem Umfang gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig werden, ebenfalls Anspruch auf den Pflegemindestlohn. Dies sind insbesondere Alltagsbegleiterinnen, Betreuungskräfte von Menschen mit dementiellen Erkrankungen und Assistenzkräfte.

Die Beschäftigten in den alten Bundesländern und Berlin erhalten ab dem 01.10.2015 pro Stunde 9,40 EUR, in den neuen Bundesländern 8,65 EUR pro Stunde. Fallen die Beschäftigten unter einen Tarifvertrag mit für sie günstigeren Regelungen, gilt weiterhin die tarifvertraglich festgeschriebene Lohnhöhe.

Der Pflegemindestlohn für die oben beschriebenen Beschäftigtengruppen steigt in den alten Bundesländern und Berlin ab 01.01.2016 auf 9,75 EUR pro Stunde und ab 01.01.2017 auf 10,20 EUR pro Stunde.

In den neuen Bundesländern werden zu diesen Zeitpunkten neun Euro bzw. 9,50 EUR fällig, ohne Begründung, warum die Pflegeleistung im Osten weniger wert ist.

Fundstelle: beck-online, FD-ArbR 2015, 372547

Mindestlohn auch an Feiertagen und Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Entgeltfortzahlung

Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall des pädagogischen Personals in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen berechnet sich nach den für diesen Personenkreis erlassenen Mindestlohnvorschriften.

Nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimmt sich gemäߧ 11 BUrlG nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen.

Diese Regelungen finden auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die  keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält.

Ein Rückgriff des Arbeitsgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung ist in diesen Fällen deshalb unzulässig.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 19.05.2015 zum Aktenzeichen 9 AZR 725/13
Fundstelle: ARBER-Info Spezial Juli 2015

Unwirksame Kündigung wegen Forderung zur Zahlung des Mindestlohns

Unzulässige Kündigung nach Geltendmachung des Mindestlohnes

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn sie von dem Arbeitgeber als Reaktion auf eine Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohnes ausgesprochen wurde. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden.

Der Arbeitnehmer wurde als Hausmeister mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich 315,00 EUR beschäftigt, was einen Stundenlohn von 5,19 EUR ergab. Er forderte von dem Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR, worauf der Arbeitgeber eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden bei einer Monatsvergütung von 325,00 (Stundenlohn 10,15 EUR) anbot.

Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als eine nach § 612 a BGB verbotene Maßregelung angesehen. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Kläger in zulässiger Weise den gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe; eine derartige Kündigung sei unwirksam.

Urteil Arbeitsgericht Berlin vom 17.04.2015 (veröffentlicht am 29.04.2015) zum Aktenzeichen 28 Ca 2405/15

Vorschriften: BGB § 612 a

Mindestlohn und Leistungsbonus

Bei der Berechnung des Mindestlohns ist ein Leistungsbonus einzubeziehen

Alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt werden, sind beim Mindestlohn einzubeziehen. Hierunter fällt auch ein vom Arbeitgeber gezahlter Leistungsbonus.

Der arbeitsgerichtliche Streit ging u.a. um die Frage, auf welche Gehaltsbestandteile der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz anwendbar ist.

Die Klägerin erhielt eine Grundvergütung von 8,10 Euro je Stunde. Zusätzlich zahlte die Arbeitgeberin einen “freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 Euro, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richteten sollt. In der Folge der Einführung des Mindestlohngesetzes teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiterhin 8,10 Euro und der Brutto/Leistungsbonus maximal 1,00 Euro pro Stunde. Vom Bonus würden jedoch 40 Cent pro Stunde fix gezahlt. Hierauf erhob die Klägerin die Klage, da sie der Ansicht war, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Der Leistungsbonus sei zusätzlich zu einer Grundvergütung in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen.
Die Klageabweisung wurde u.a. damit begründet, dass es der Zweck des Mindestlohngesetzes sei, dem in Vollzeit Beschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Nach Ansicht des Gerichts komme es allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Deshalb seien alle Zahlungen mindestlohnwirksam die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt werden. Der Leistungsbonus habe einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung und ist in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen.

Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.04.2015 zum Aktenzeiche 5 Ca 1675/15
Quelle: beck-aktuell.nachrichten