Mindestlohn auch an Feiertagen und Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Entgeltfortzahlung

Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall des pädagogischen Personals in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen berechnet sich nach den für diesen Personenkreis erlassenen Mindestlohnvorschriften.

Nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimmt sich gemäߧ 11 BUrlG nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen.

Diese Regelungen finden auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die  keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält.

Ein Rückgriff des Arbeitsgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung ist in diesen Fällen deshalb unzulässig.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 19.05.2015 zum Aktenzeichen 9 AZR 725/13
Fundstelle: ARBER-Info Spezial Juli 2015

Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit

Der „Anlass“ im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 1 EFZG ist nicht gleichbedeutend mit dem Kündigungsgrund. Die Krankheit ist dann Anlass der Kündigung, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst, gerade jetzt den Kündigungsgrund auszunutzen und die Kündigung zu erklären. Eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit scheidet damit aus, wenn der Arbeitnehmer zwar zur Zeit des Zugangs der Kündigung krank ist, der Arbeitgeber jedoch von der bevorstehenden Erkrankung keine Kenntnis hat. Jedoch ist nach der Rechtsprechung des BAG der Arbeitgeber, der von der bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis hatte, aber die dem Arbeitnehmer von Gesetzes wegen eingeräumte Nachweisfrist nicht abwartet, wie derjenige zu behandeln, der von der Arbeitsunfähigkeit Kenntnis hatte.

Urteil Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 20.05.2015 zum Aktenzeichen 7 Sa 694/14
Vorschrift: EFZG § 8
Fundstelle: BeckRS 2015, 69778

Entgeltfortzahlungsanspruch bei alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit

1. Beim Verschulden iSv § 3 I 1 EFZG handelt es sich um ein Verschulden gegen sich selbst. Schuldhaft idS handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dabei ist von einem objektiven Maßstab auszugehen.

2. Nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse kann wegen der multifaktoriellen Genese nicht davon ausgegangen werden, dass das Entstehen einer Alkoholabhängigkeit verschuldet iSv § 3 I 1 EFZG ist.

3. Auch bei einem Rückfall nach einer erfolgreich durchgeführten Therapie wird es regelmäßig an einem solchen Verschulden fehlen. Es gibt allerdings keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass ein Rückfall nicht auch schuldhaft iSv § 3 I 1 EFZG durch den Arbeitnehmer herbeigeführt worden sein kann.

4. Die Klärung der Frage des Verschuldens in einem solchen Fall wird regelmäßig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder Vernehmung eines sachverständigen Zeugen erfolgen können. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich einer solchen Begutachtung zur Frage seines möglichen Verschuldens an dem Rückfall zu unterziehen und eine entsprechende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorzunehmen. (Orientierungssätze des Gerichts)

Urteil Bundesarbeitsgericht 18.03.2015 zum Aktenzeichen 10 AZR 99/14
Vorschriften:
EFZG §§ 3 I 1, 8
SGB X § 115 I
BGB §§ 276, 277, 616 S. 1, 617 I 1
SGB V § 49 I Nr. 1
HGB § 63 I 1
Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 370234

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

Wann ist eine personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen berechtigt?

Eine zu prognostizierende Arbeitsunfähigkeit mit einem Zeitraum im Umfang von 17,4 Wochen pro Jahr und Entgeltfortzahlungskosten im Umfang von 14,7 Wochen pro Jahr können keine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist rechtfertigen.

Urteil Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 27.08.2014 zum Aktenzeichen 15 Sa 825/13
Fundstelle: „Arbeitsrechtliche Entscheidungen“ Heft 02/2015 der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins

Kündigung wegen Alkoholerkrankung

Personenbedingte Kündigung bei Alkoholerkrankung?

Eine Alkoholabhängigkeit ist kein steuerbares Verhalten, sondern eine Erkrankung.

Daher sind an eine Kündigung, die auf ein Verhalten im Zusammenhang mit der Alkoholerkrankung gestützt wird, die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an eine krankheitsbedingte Kündigung. Wegen der Alkoholabhängig ist fraglich, ob im Einzelfall tatsächlich eine verhaltensrelevanter Schuldvorwurf gemacht werden kenn.

Wenn eine negative Zukunftsprognose gestellt werden kann, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit dauerhaft nicht die Gewähr dafür bieten kann, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, dann könnte eine personenbedingte Kündigung greifen.

Jedoch ist diese Schlussfolgerung grundsätzlich zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung eine ernsthafte Bereitschaft zu einer Therapie erklärt hat.

Der Arbeitgeber hat zudem zu prüfen, ob eine Abmahnung bei steuerbaren Verhalten in Betracht kommt oder eine Versetzungsmöglichkeit gegeben ist. Die Kündigung ist immer unter Anwendung des ultima-ratio-Prinzips erst dann berechtigt, wenn kein milderes Mittel greift.

Urteil Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 12.08.2014 zum Aktenzeichen 7 Sa 852/14
Fundstelle: „Arbeitsrechtliche Entscheidungen“ Heft 02/2015 der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltsvereins