Selbstbeurlaubung durch Betriebsratsvorsitzende – unwirksame Kündigung

Trotz eigenmächtiger Selbstbeurlaubung keine fristlose Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden

Ein eigenmächtiger Antritt von zwei unbezahlten Urlaubstagen rechtfertigt bei einem ohnehin freigestellten langjährigen Betriebsratsvorsitzenden nicht in jedem Fall eine fristlose Kündigung.

Die Arbeitgeberin meinte, ihr Betriebsratsvorsitzender habe den Urlaub zwecks Besuchs einer gewerkschaftlichen Schulungsmaßnahme eigenmächtig angetreten, obwohl die Bewilligung vorher mehrfach ausdrücklich von dem zuständigen Personalleiter wegen dringend zu erledigender Aufgaben und aufgrund der Kurzfristigkeit des Urlaubsbegehrens abgelehnt worden sei. Deshalb hat sie beim Arbeitsgericht die Ersetzung der vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats beantragt.

Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat meinten, ein Mitglied der Geschäftsleitung habe den Urlaub vorab bewilligt. Der freigestellte Vorsitzende könne zudem die Lage seiner Arbeitszeit nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Der eigenmächtige Urlaubsantritt sei zwar eine Pflichtverletzung, jedoch aufgrund der weiter erforderlichen Interessenabwägung genüge er aber hier ausnahmsweise nicht als Grund für eine fristlose Kündigung. Zu Gunsten des Betriebsratsvorsitzenden sei zu berücksichtigen, dass dieser seit 15 Jahren beschäftigt sei, es keine Abmahnung gegeben habe und die Anforderungen an die fristlose Kündigung sehr hoch seien, da der Vorwurf mit der besonders geschützten Betriebsratstätigkeit zusammenhänge.

Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.03.2016 zum Aktenzeichen 10 BV 253/15
Fundstelle: Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 11. März 2016

Dauer Urlaubsabgeltungsanspruch und dessen Vererbung

1. Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, so gehen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche erst mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres unter. Dieser Verfall tritt vor diesem Zeitpunkt nicht bereits tageweise ein.

2. Dieser entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererbbar.

3. Ist der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund der unionsrechtskonformen Auslegung des § 7 III 3 BUrlG erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Diese Urlaubsabgeltungsansprüche gehen mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Der Verfall tritt jedoch nicht bereits vor diesem Zeitpunkt tageweise ein.

4. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein reiner Geldanspruch und nicht Surrogat des Urlaubsanspruchs. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist nicht als Äquivalent zum Urlaubsanspruch, sondern ein Aliud in Form eines selbstständigen Geldanspruchs.

5. Der entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch geht auch nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers unter. Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererbbar.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.09.2015 zum Aktenzeichen 9 AZR 170/14
Normen: BGB §§ 362, 1922; BUrlG §§ 1, 3, 7, 13; SGB IX § 125
Fundstelle: Beck-online, FD ArbR 2016, 374954

Urlaubsabgeltung geht an die Erben

Der Urlaubsanspruch wird nach Tod des Arbeitnehmers zu einem Abgeltungsanspruch der Erben.

Ein Urlaubsanspruch geht mit dem Tod des Arbeitnehmers nicht unter, sondern wandelt sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben um. Das entschied das Arbeitsgericht Berlin entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Gegen das Urteil vom 07.10.2015 kann Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden (56 Ca 10968/15).

Das Arbeitsgericht bejaht den Abgeltungsanspruch unter Verweis auf das EU-Recht.

Die Erblasserin stand in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten und hatte im Zeitpunkt ihres Todes noch einen Erholungsurlaubsanspruch von 33 Tagen. Ihre Erben forderten von der Beklagten die Abgeltung dieses Urlaubsanspruchs. Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und verwies auf § 7 Abs. 4 BUrlG. Danach sei der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Diese Voraussetzungen seien beim Tod des Arbeitnehmers gegeben.

Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstelle, mit dem Tod erlösche die höchstpersönliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers und damit auch ein (abzugeltender) Urlaubsanspruch, widerspreche dies Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG in der vom Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 12.06.2014 (NZA 2014, 651) erfolgten Auslegung.

Daher sei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. dazu NZA 2012, 326) nicht zu folgen, so das Arbeitsgericht Berlin.

Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht, 2015, 374176

Vorrang AGB-Regelung im Arbeitsvertrag zu Kündigung und Urlaub

Ist im Formulararbeitsvertrag, welcher pauschal auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt, eine ausdrückliche Regelung enthalten, die von der tariflichen Bestimmung abweicht, hat diese abweichende Regelung grundsätzlich Vorrang.

Eine tarifliche Regelung, die den Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaubs reduziert im Falle „vorsätzlicher verschuldeter fristloser Entlassung“, führt nur zur Verminderung des tariflichen Mehrurlaubs, den der Arbeitnehmer im Jahr der Entlassung erworben hat.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 20.01.2015 zum Aktenzeichen 9 AZR 585/14
Vorschriften:
BGB §§ 305, 307
BUrlG §§ 1, 3, 7
Fundstelle. beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 370222

Kündigung wegen negativem Gleitzeitkonto

Verhaltensbedingte Kündigung aufgrund fortgesetzt unzulässig hohen negativen Saldos des Arbeitszeitkontos bei Gleitzeit

1. Ist in einer Dienstvereinbarung zu Gleitzeit nebst Kernarbeitszeit vereinbart, dass maximal 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen und überschreitet der Arbeitnehmer diese Grenze der Minusstunden wiederholt um ein Vielfaches, kann dies die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der aktuelle Vorwurf (nur) im fehlenden Abbau des schon bestehenden unzulässigen Negativsaldos besteht, nachdem das frühere Aufbauen des negativen Saldos bereits abgemahnt wurde, und wenn objektiv nach dem Arbeitszeitmodell beim Arbeitgeber unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes unproblematisch die Möglichkeit bestand, den entstandenen unzulässigen Negativsaldo abzubauen.

2. Sieht die Dienstvereinbarung einen frühestmöglichen Dienstbeginn und ein spätmöglichstes Dienstende vor, was auch in Wechselwirkung zur Schaltung der Alarmanlage und zur Arbeitszeit des Hausmeisters steht, der das Gebäude verschließt, so kann sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen, man habe ihm eine Arbeit außerhalb dieser möglichen Dienstzeiten verweigert. Auch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister rechtfertigt nicht dieses Begehren.

3. Der Arbeitnehmer kann sich in dieser Situation auch nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber – wie oftmals in der Vergangenheit – doch eine Verrechnung des Negativsaldos mit Entgeltansprüchen oder Urlaubsansprüchen hätte vornehmen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber frühere Verrechnung mit einer Abmahnung oder sonstigen rügenden Äußerungen wegen des zugrundeliegenden Arbeitszeitverstoßes verbunden hatte.
(Leitsätze des Gerichts)

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15.01.2015 zum Aktenzeichen 5 Sa 219/14
Hier wesentliche Vorschrift: Kündigungsschutzgesetz § 1 Absatz 2
Quelle: BeckRS 2015, 68408