Auch in Kleinbetrieben ist eine altersdiskriminierende Kündigung unwirksam

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.

Die Kündigung enthielt einen Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ der Klägerin. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten das Arbeitsverhältnis wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Hierbei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Klägerin sieht sich wegen Alters diskriminiert – Arbeitgeberin führte schlechtere Qualifizierung an.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70-80% der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Das Bundesarbeitsgericht bejaht Anspruch auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Die Kündigung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und sei deshalb unwirksam. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, könne noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 23.07.2015 zum Aktenzeichen 6 AZR 457/14
Fundstelle: beck-Nachrichten vom 23.07.2015

Schlafende Nachtwächter erhält außerordentliche Kündigung

Die Arbeitnehmerin war als Nachwächterin in einem Seniorenheim beschäftigt. Es stand fest, dass sie ihre arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht als Nachtwache erheblich verletzt hat. Sie wurde in der Nacht vom 22. auf den 23.04.2014 schlafend im Aufenthaltsraum des Seniorenheims in einem Fernsehsessel mit verstellbarer Rückenlehne und Fußteil angetroffen. Die Tür zum Aufenthaltsraum war verschlossen, im Raum brannte kein Licht. Die Arbeitnehmerin hat sich vorsätzlich schlafen gelegt, weil sie ihre ungestörte Nachtruhe planvoll vorbereitet hat.

Urteil Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 16.04.2015 zum Aktenzeichen 5 Sa 637/14
Vorschrift: BGB § 626
Fundstelle: BeckRS 2015, 69776

Teilzeitquote bei Lehrern ist bei Übertragung Funktionstätigkeiten zu beachten

Teilzeitbeschäftigte dürfen nur entsprechend ihrer Teilzeitquote zur Dienstleistung herangezogen werden. Deshalb muss der Teilzeitquote bei Übertragung von Funktionstätigkeiten Rechnung getragen werden oder ein zeitlicher Ausgleich durch entsprechend geringere Heranziehung zu anderen Aufgaben erfolgen. Vorliegend ging es um eine in Teilzeit beschäftigten Oberstudienrätin.

Urteil Bundesverwaltungsgericht vom 16.07.2015 zum Aktenzeichen  2 C 16.14
Fundstelle: beck-online, Nachrichten

Rechtsmissbrächliche Arbeitnehmerüberlassung

Ein Verstoß gegen das Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in § 1 I 2 AÜG führt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts (hier LAG Rheinland-Pfalz, FD-ArbR 2013, 353176) nicht zum Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer, wenn der Verleiher – wie hier – die nach § 1 I 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat, seine Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung zu überlassen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. (Leitsatz der Redaktion)

Vorschrift: AÜG § 1
Urteil Bundesarbeitsgericht vom 29.04.2015 zum Aktenzeichen 9 AZR 883/13
Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 370512

Sozialauswahl nach Altersgruppen

Führt der Arbeitgeber eine Sozialauswahl nach Altersgruppen durch, hat die Beteiligung der einzelnen Altersgruppen am Personalabbau auch bei der Vereinbarung von Namenslisten streng proportional zu erfolgen.

Eine Verletzung des Proporzes hat zur Folge, dass die Altersgruppenbildung insgesamt unwirksam ist.

Somit erstreckt sich die von den Gerichten vorzunehmende Ergebniskontrolle der Sozialauswahl auf die gesamte Vergleichsgruppe.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 26.03.2015 zum Aktenzeichen 2 AZR 478/13
Vorschriften: KSchG § 1
Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 370224

Unwirksame Kündigung Mitarbeiterin Jobcenter

Unwirksamkeit der fristlosen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin des Jobcenters Halle

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen, wenn der Verdacht dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Ein solcher wichtiger Grund kann auch dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Vorteile im privaten Bereich entgegen nimmt, die unter Bezug auf sein Arbeitsverhältnis geleistet werden. Unabhängig von einer evtl.  Strafbarkeit verletzt er dadurch seine vertragliche Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Der wichtige Grund kann in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei Erfüllung seiner Aufgaben unberechtigte Vorteile entgegen zu nehmen, liegen. Hierdurch zerstört er regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit.

Das Jobcenter ist seiner Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes bezüglich der Kündigung nicht nachgekommen, dass die Unwirksamkeit der Kündigung arbeitsgerichtlich festgestellt wurde.

Urteil Arbeitsgericht Halle zum Aktenzeichen 7 Ca 2470/14
Fundstelle: Pressemitteilung 04/2015 Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt

Sperrzeit bei Arbeitslosengeld wegen Tätlichkeit

Die fristlose Kündigung wegen einer Tätlichkeit gegen eine Arbeitskollegin kann zugleich einen Grund für die Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld sein. Wer an der Entstehung seiner Arbeitslosigkeit mitgewirkt hat, bzw. den Grund dafür gesetzt hat, bekommt in der Regel eine Sperrzeit von 3 Monaten, um welches das Arbeitslosengeld gekürzt wird.

Beschluss des Landessozialgerichts Bayern vom 02.12.2014 zum Aktenzeichen L 10 AL 136/14 B PKH
Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 370030

Unbefristete Erwerbsminderungsrente als Beendigungsgrund

Die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung stellt eine zulässige auflösende Bedingung bezüglich des Arbeitsvertrages dar.

Dies ist keine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen einer Behinderung.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 18.12.2014 zum Aktenzeichen 7 ASZ 1002/12
Vorschriften:
TzBfG § 14
AGG §§ 3, 7
Fundstelle: Beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 369865

Kündigung Berufsausbildungsverhältnis

Der dringende Verdacht, also nicht nur der Nachweis, einer schweren Pflichtverletzung kann die Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses rechtfertigen.

Das Bundesarbeitsgericht klärte somit die Frage, ob auch die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses mit einer Verdachtskündigung möglich ist.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 12.02.2015 zum Aktenzeichen 6 AZR 845/13
Vorschriften: BBiG § 22
Fundstelle: Beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 369867

Diskrimminierungsschutz bei Scheinbewerbung

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union ua. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

Der Kläger hat 2001 die Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und ist seither überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört, schrieb ein „Trainee-Programm 2009“ aus. Dabei stellte sie als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fachrichtung Jura wurden zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht. Der Kläger bewarb sich hierfür. Er betonte im Bewerbungsschreiben, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Führungserfahrung verfüge. Derzeit besuche er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht. Weiter führte er aus, wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat zu betreuen und daher im Medizinrecht über einen erweiterten Erfahrungshorizont zu verfügen. Als ehemaliger leitender Angestellter und Rechtsanwalt sei er es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten. Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung iHv. 14.000,00 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab und schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen.

Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat. Das Bewerbungsschreiben steht einer Einstellung als „Trainee“ entgegen. Die Einladung zu einem Personalgespräch hat er ausgeschlagen. Damit ist der Kläger nach nationalem Recht nicht „Bewerber“ und „Beschäftigter“ iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, ist eine allein dem Gerichtshof überantwortete Auslegungsfrage.

BundesarbeitsgerichtBeschluss vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A) -Vorinstanz: Hessisches LandesarbeitsgerichtUrteil vom 18. März 2013 – 7 Sa 1257/12 –
Fundstelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 34/15 vom 18.06.2015